// Mukoviszidose
„Alles liegt auf meinen Schultern“
Erfahrungsbericht einer alleinerziehenden Mutter mit einem an Mukoviszidose erkrankten Sohn
Simone M. lebt mit ihrem 7-jährigen Sohn Tim in einer 2-Zimmer-Wohnung, mehr ist finanziell nicht möglich. Tim hat sein eigenes Zimmer, Simone schläft im Wohnzimmer auf dem Sofa. Simone hat eine Halbtagsstelle bei einer Werbeagentur, immer wieder fällt das Wort Kündigung. Sie hat viele Fehltage, und ihr Leistungsniveau ist je nach Sorge um Tim schwankend.
Tim hat CF, und immer häufiger kommt der Anruf von der Grundschule, sie möge bitte ihren Sohn abholen, es gehe ihm nicht gut. Simone lässt bei der Arbeit dann alles stehen und liegen und holt Tim ab. Irgendwann war das Verständnis ihres Arbeitgebers und der Kollegen überstrapaziert – sie brauchen eine zuverlässige Kollegin, die das Team auch bei Engpässen mit Überstunden unterstützt.
Doch Tim braucht seine Mutter, da sind keine anderen schützenden Hände in greifbarer Nähe. Eigentlich ist es immer nur eine Mangelverwaltung. Woher die Anerkennung und den Stolz für Geleistetes nehmen, wenn die Defizite und das „Was man noch sollte“ im Vordergrund nagend stehen.
Der Vater ist weit weg…
Der Vater von Tim lebt weit weg, eine Lichtgestalt für Tim, aber keine reale Unterstützung im Alltag. Und Infekte oder Krisen kommen nicht im 4-wöchigen Besuchsrhythmus des Vaters. Im Gegenteil, da ist Tim fit, und beide wollen sich die wertvolle kurze Zeit nicht mit lästigen Therapien verderben. Die Erschöpfung und der Husten kommen später, wenn der Vater längst weg ist.
Tim denkt freiwillig nicht an das Inhalieren und das Kreon, dem Vater fehlt das Wissen und im Übrigen wird es schon nicht so schlimm sein, wenn es einmal ausfällt. Tims Therapieunlust auszuhalten und sich dennoch durchzusetzen, gelingt nicht immer und manchmal immer weniger bis gar nicht mehr. Simone fehlt im Alltag oft die Kraft, und ein „Schlendrian“ etabliert sich schneller als diszipliniertes Verhalten.
Die daraus resultierenden Schuldgefühle drücken: Man weiß, wie es sein müsste, man weiß, was die langfristigen Folgen sind, und kann es nicht umsetzen. Die Scham lässt Simone schweigen.
Bei den Ambulanzterminen sind Mutter und Sohn im Abwiegeln ein Team. Doch mit wem kann Simone ihre Not teilen? Die Freundin hört zu, bemüht sich, aber sie kennt die Geschichten schon und wechselt bald das Thema. Die Oma von Tim hält es nicht aus und tröstet mit fehlplatziertem Optimismus verbunden mit Ignoranz. Zurück bleibt ein Gefühl der Einsamkeit, der Überforderung und des Versagens.
„Träum Du nur…“
Die Geschichte könnte noch lange so weiter erzählt werden. Da werden Paare mit Partner beneidet. Sie können sich die Pflichten und die Arbeit teilen. Sie können sich in der Therapiebegleitung absprechen. Sie können Entscheidungen gemeinsam treffen. Sie können das Schicksal gemeinsam tragen, sich trösten und Mut zusprechen.
„Träum du nur“, sagen die Elternpaare. „Du musst dich mit niemandem abstimmen, du kannst einfach dein Ding durchziehen. Die Diskussionen über den gemeinsamen Level sind so anstrengend und kräfteraubend.“ Und dann ist da noch der Spruch über die PartnerIn: „Ich hab nicht nur ein Kind, sondern zwei“.
Allein erziehende Eltern träumen immer wieder davon, Entlastung von einem/er PartnerIn zu erhalten. Die Aufgaben, die Verantwortung und die Pflichten von Eltern müssen sie in der Tat allein bewältigen. In Verbindung mit einer intensiven Therapiebegleitung des Kindes ist eine chronische Überforderungssituation schnell entstanden. Bei Stress nimmt in der Regel die notwenige Gelassenheit und Souveränität in der Erziehung rapide ab.
Und die meisten kennen es, wie schnell der Streit dann eskaliert, die Beziehungen vergiftet und der Haussegen schief hängt. In einer CF-Elterngruppe drückte eine allein erziehende Mutter den Unterschied zwischen Zweielternfamilie und Einelternfamilie sehr trefflich aus. Ist die Frage bei Paaren: „Übernimmst du oder ich heute die Therapiebegleitung?“, heißt sie in Einelternfamilien: „Machen wir heute überhaupt Therapie?“
Ihr Ansprechpartner
Dr. med. Stefan Weis
Stellv. Ärztlicher Leiter
Chefarzt Kinderonkologie
Kinderpneumologie / Mukoviszidose
Tel.: 07705 / 920 300
stefan.weis@tannheim.de
» Die Atemtherapie hat neben regelmäßiger sportlicher Betätigung und konsequenter Behandlung bakterieller Infektionen der Atemwege bei der Behandlung von an Mukoviszidose erkrankten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen einen großen Stellenwert. Ihre konsequente Anwendung kann die Lebensqualität enorm verbessern.